Ein Jahr als Dorfkümmerin
Ich schaue mit Freude auf das vergangene Jahr zurück. Ein Anlass, um einmal über dieses ungewöhnliche Jahr unter Corona-Bedingungen und meine Arbeit zu berichten.
Mit großer Herzlichkeit wurde ich im Mai 2020 von den Bewohnern in Großfurra als ihre neue Dorfkümmerin aufgenommen. Mein kleines Büro befindet sich in Großfurra im Mehrgenerationenhaus. Das ein oder andere Problem wurde dort schon mit dem Ortsteilbürgermeister und den Bürgern aus dem Ort und Umgebung besprochen. Ein „offenes Ohr“ zu haben für die Sorgen jedes Einzelnen, das versuche ich jeden Tag. Da kommen dann auch mal Anrufe aus den Ortsteilen Schernberg, Himmelsberg, Dietenborn, Groß- und Kleinberndten und Straußberg, welche auch von mir betreut werden. Sei es, dass eine kleine Gasse in Schernberg nicht geräumt wurde, dass ein über 80-jähriges Ehepaar keine Einkäufe erledigen konnte, weil die Schneehaufen zu hoch waren oder z. B. die Klärung der Frage: Warum der Fuß- und Radweg vom Heidehaus zur Siedlung Neuheide bereits ab Freitagmittag gesperrt war, obwohl die Baumaßnahmen erst Montag früh begannen.
ürger aus dem Ort kommen zu mir ins Büro mit dem Satz “Vielleicht können Sie mir ja helfen“ – und das versuche ich! All das bedarf einiger Telefonate sowie Gespräche und Besuche.
Ich freue mich, dass auch junge Leute den Weg zu mir finden. Ein junges Mädchen brauchte Hilfe für die Schule. Sie wollte ein Video über die Heimatgeschichte ihres Dorfes drehen. Auch junge Familien rufen an, weil sie einen Babysitter oder eine Wohnung suchen. Eine Seniorin, die 60 Jahre in Großfurra lebte und jetzt im betreuten Wohnen in Sondershausen ist, bat einfach um ein nettes Gespräch.
Fast zeitgleich mit Beginn meiner Tätigkeit gab die langjährige Leiterin des beliebten Rentnerclubs in Großfurra ihre Arbeit auf. So hofften an erster Stelle auch die Senioren und Seniorinnen, dass bald mal wieder schöne Veranstaltungen stattfinden würden. Und die gab es dann auch. An einem schönen sonnigen Nachmittag im Juli trafen sich alle, die Lust hatten „zum Kaffeetrinken unterm Mammutbaum“. Es wurde geschwatzt, gelacht, den Bauchtanzmädels zugesehen und einem Mundharmonikaspieler zugehört. Selbstgebackener Kuchen und eine superleckere Sommerbowle passten da prima zum Ambiente.
Dies war das erste „Kennenlernen“ im Ort mit Informationen zu meiner Arbeit als Dorfkümmerin.
Schnell ging der Kontakt weiter. Ich organisierte mit dem Badesportverein einen Tag in der Woche für eine extra Schwimmstunde ausschließlich für die Senioren und Seniorinnen. In dieser Zeit gehörte das Bad nur ihnen. Nach der sportlichen Betätigung gab es hinterher einen leckeren Obstsalat in gemütlicher Plauderrunde. Auch dieses Jahr hoffen sie wieder auf diese schöne Zeit im herrlichen Freibad von Großfurra.
Mit tatkräftiger Unterstützung des Badesportvereines konnten unsere Senioren und Seniorinnen im Herbst noch ein schönes, zünftiges Oktoberfest in einem Festzelt verleben. Wir freuten uns sehr über den Besuch unseres Bürgermeisters Steffen Grimm.
Im August besuchte uns die „Kräuterfrau“ aus Bendeleben. Bei einer Kräuterwanderung lernten wir Wildkräuter kennen, die man das ganze Jahr über sammeln und nutzen kann, um gesund zu bleiben.
Jung und alt zusammenzubringen - das war zum „Wandertag des Kindergartens“ möglich. So ein Tag wiederholte sich als Pastorin Bärwinkel in ihr Zirkuszelt zum Gottesdienst einlud, um die Schulanfänger aus dem Kindergarten zu verabschieden. Hunderte von bunten Luftballons flogen in die Höhe und zauberten uns ein Lächeln ins Gesicht.
Durch die Corona-Pandemie mussten nach und nach die Kontakte eingeschränkt werden. Die Weihnachtszeit nahte. Da kam die Idee, 24 Fenster im Ort zur Adventszeit leuchten zu lassen, gerade richtig. Das ganze Dorf machte mit. Schnell waren alle Fenster zum Gestalten vergeben und luden zu „leuchtenden“ Spaziergängen ein, um sich die liebevoll dekorierten Fenster anzuschauen. Ein Lichtblick in Corona Zeiten.
Ich lernte meine Dörfer kennen, absolvierte einen Erste-Hilfe-Kurs, besuchte einen Lehrgang zum Umgang mit Lebensmitteln und nahm an einer Schulung zum „Pflegelotsen Thüringen DIGITAL“ teil. In meiner Arbeit knüpfte ich Kontakte zu öffentlichen Stellen, wie z.B. der Erziehungs-, Familien- und Lebensberatungsstelle. Ich bot meine Hilfe beim Besorgen der FFP-2-Masken an und konnte einigen Senioren und Seniorinnen die begehrten Corona-Impftermine online beschaffen. Weiterhin übernahm ich Einkäufe für kranke, pflegebedürftige, liebenswerte Menschen.
Für mich sehr interessant sind die Gespräche mit dem „Kesselförster“. Er behütet mit Sorgfalt die Heimatstube, die sich neben den Jugendclub auch noch im Mehrgenerationenhaus befindet. Hier kann ich viel über das Dorf und seine Geschichte erfahren.
Zu Ostern kaufte ich spontan in der Landfleischerei Krause bunte Ostereier, die ich dann im Osterkorb mit einem Ostergruß an die Leute verteilte. Wer für die Feiertage ein schönes Buch lesen wollte, konnte sich bei mir melden. Sogar einen Lieferservice organisierte ich.
Es war uns eine Ehre sowie eine Auszeichnung zusammen mit dem Kindergarten und der Stadt Sondershausen im Sommer unseren Ministerpräsidenten Bodo Ramelow begrüßen zu dürfen. Er fühlte sich unter dem Mammutbaum mit einem schnell „hingezauberten“ Imbiss und guten Gesprächen sichtlich wohl.
Jetzt steht das Frühjahr an. Das Dorf kann schöner werden. Es wurde am Mammutbaum eine neue Bank aufgestellt, und der Blick kann über einen mit Stiefmütterchen bepflanzten Blumenkübel schweifen. Mal sehen, was das Jahr noch bringen wird. Ideen habe ich viele. Ein großes Dankeschön von mir an all meine fleißigen Helfer im Ort, ohne die jede von mir geplante Feier nicht so schön gewesen wäre.
Ihre Dorfkümmerin
Angelika Hendrich