Vom Werden und Vergehen des Badekurwesens in Sondershausen


Vor über 200 Jahren schickte sich Sonderhausen an, ein Badekurort zu werden. In der heute noch existierenden Liegenschaft der Stockhäuser Mühle nahm die von Günther Lutze vor 100 Jahren aufgeschriebene Geschichte ihren Anfang. Auch ihren Ausgang erfahren Sie in der nachfolgenden Aufzeichnung.

Edith Baars
Sondershausen

 

„Das Günthersbad bei Stockhausen“
Errichtet 1815, aufgehoben 1843.
Aufgeschrieben von Günther Lutze.

Im Jahre 1811 ließ der Amtmann Schneidewind als Besitzer der bei Stockhausen gelegenen Mühle in seinem Gehöfte einen Brunnen graben. Das vorgefundene Wasser, wegen seines höchst unangenehmen Geschmacks zum Trinken untauglich, erklärte der Fürstliche Leibarzt Dr. Braunhard, Sondershausen bei einer 1814 vorgenommenen Prüfung, allerdings nur aufgrund des Geruches und Geschmacks und seiner Eigenschaft, Gold, Silber und Kupfer zu schwärzen, für ein wirkliches Schwefelwasser. Die merkwürdigerweise fast gleichzeitig in Langensalza (15.Juni 1811), Berka a.d.Ilm und Tennstedt entdeckten Schwefelquellen und ihre Verwendung zu Badezwecken führten, da auch das Stockhäuser Wasser in mehreren Krankheitsformen sich als heilsam erwiesen hatte, zur Gründung eines Bades daselbst. Auf Befehl des regierenden Fürsten, Günther Friedrich Karl I., der das Unternehmen nach jeder Richtung zu fördern suchte, wurden Anstalten getroffen, den Badegästen den Aufenthalt so bequem und angenehm als möglich zu machen, gleichzeitig aber auch eine eingehende chemische Analyse des Wassers befohlen und der Doktor der Pharmazie und Lehrer an der Erfurter Universität, Christian Friedrich Buchholz, damit betraut. Die vom Fürsten eingesetzte Brunnendirektion bestand aus dem Vize- Kammerpräsidenten v. Weise, dem Vize-Kanzler von Ziegeler, dem Legationsrat Holste, dem Bauinspektor Mönch, sämtlich in Sondershausen und dem Amtmann Schneidewind in Stockhausen. Sie erließ unterm 25. Juli 1815 folgende Bekanntmachung:

„Der in hiesiger Gegend nahe bei dem Dorfe Stockhausen entdeckte Heilquell führt den Namen „Günthersbad“. Es sind bis jetzt zehn mit den notwendigen Erfordernissen versehene Badezimmer eingerichtet worden, und der Badenden sind schon viele, dass kaum alle gefördert werden können. Dieses Mineralwasser ist bereits im Monat Mai und Juni d. J. durch den Herrn Professor Buchholz in Erfurt untersucht worden, und der vorgenommenen chemischen Analyse zufolge sind darin enthalten: Hydrothionsäure (Schwefelwasserstoffgas), Kohlensäure (fixe Luft), hydrothionsaurer Kalk, kohlenstoffsaurer Kalk, schwefelsaurer Kalk, salpetersaurer Kalk, schwefelsaures Natrium, schwefelsaure Bittererde, salzsaure Bittererde, Schwefel oder Stickstoff. Der erwähnte Professor Buchholz wird nächstens an Ort und Stelle eine chemische Untersuchung vornehmen, um das Mengenverhältnis der in diesem Mineralwasser enthaltenen Stoffe zu einander auszumitteln, deren Resultat s. Z. dem Publikum ebenfalls mitgeteilt werden wird. Eine Reihe medizinische Erfahrungen hat erwiesen, dass diese Schwefelquelle sowohl durch das Trinken, als durch das Baden
1. bei Gicht und Gliederreißen, 2. bei Rheumatismus, 3. in Hysterie und Hypochondrie, 4. Hämorrhoiden, 5. bei krampfhafter Engbrüstigkeit, 6. in verschiedenen Augenkrankheiten, besonders bei eiternden Augenlidern, 7. beim Fehlen der Verdauung, 8. bei Verschleimung gute Dienste geleistet hat und mit dem besten Erfolg angewendet worden ist.
Für ein Bad werden 8 Groschen bezahlt, und der Bademeister erhält nach beendeter Badekur ein Douceur von wenigstens 10 Groschen. Notorisch Arme erhalten von der Badedirektion, bei der sie sich deshalb zu melden haben, einen Freischein.
In der Behausung des Herrn Schneidewind sind Erfrischungen gegen billige Bezahlung zu haben. Das Günthersbad hat eine freundliche Lage in einem von der Wipper durchschnittenen Wiesengrunde; auf den angrenzenden Höhen genießt man eine malerische Aussicht, und da die Natur schon so viel getan hat, so bedarf es nur einer geringen Nachhilfe der Kunst, um künftig einige recht hübsche Partien anzulegen. Die bekannte ausgezeichnete Musik in den nahe beim Fürstlichen Residenzschlosse befindlichen Anlagen, das „Loh" genannt, Theater und Spiel bieten abwechselnden Zeitvertreib dar. Fremde finden im Gasthaus "Zum Erbprinzen" gutes Quartier und billige Bewirtung. Es ist der Wille des Durchlauchtigsten Fürsten, dass nichts verabsäumt werde, um diesen neuen Heilquell möglichst nützlich und für die Badegäste angenehm zu machen, und die unterzeichnete, gnädigste Badedirektion macht es sich zur Pflicht, zur Erreichung jenes menschenfreundlichen Zweckes nach Kräften mitzuwirken. Sie wird mit Dank jeden wohlgemeinten, auf Verbesserung dieser Anstalt abzweckenden Vorschlag annehmen, rechnet aber auch auf nachsichtige Beurteilung derer, welche da die Sache erst im Entstehen und noch unvollkommen ist, manche ihrer Erwartungen unbefriedigt finden dürften.“

Da sich das Bad mehr und mehr einer steigenden Frequenz erfreute (1815 sind 2032 Bäder genommen worden, davon 1710 bezahlte), so machte sich die Neuanlage eines Bade- und Logierhauses in Stockhausen nötig.
Die Kosten, die von der Fürstlichen Kammer bestritten wurden, betrugen 5000 Taler. Das alte Badehaus, an dem der Amtmann Schneidewind und die Kammer das gleiche Eigentumsrecht besaßen, hatte 10 Badezellen; durch das neue kamen noch 8 hinzu. Von der damit erzielten Einnahme hatte Schneidewind 5, die Kammer 13 Teile zu beanspruchen. Doch erst von 1824 ab erzielte man einen bescheidenen Überschuss, da die Neubauten und die Unterhaltung des Bades das Ausgabekonto stark belasteten. 1821 setzte man auch den Preis für ein Bad auf 6 Groschen herab. Die Quelle selbst, als Regalie betrachtet, war Eigentum des Fürsten. Sie wurde ausgemauert, überbaut und das Wasser, durch ein Pumpwerk gehoben, in zwei Kübel geleitet, von denen es den Badezellen zugeführt werden konnte. Die Badevorrichtungen besorgten ein Bademeister und zwei Bademägde. Die ökonomische Leitung lag in den Händen Schneidewinds, zum Badearzt war Dr. Braunhard ernannt.

Außer der die Benutzung des Bades empfehlenden Bekanntmachung der Badedirektion erschien 1816 eine zugunsten der neuen Anstalt geschriebene Broschüre. Auf 192 Oktavseiten gibt der Verfasser, Prof. Buchholz, eine ausführliche Beschreibung der Badeanlagen, die vollständige Analyse des Wassers und schildert an einigen Krankheitsfällen die medizinischen Wirkungen. Aus dem sehr interessanten Inhalte sei noch mitgeteilt, dass auch Sondershausen dem Bade insofern angeschlossen werden sollte, als man den Mittelpunkt der den Badegästen gebotenen Zerstreuungen, Unterhaltungen und Lustbarkeiten in das "Loh" verlegt. Hier bot das neuerbaute Gasthaus "Zum Erbprinzen“, geleitet vom früheren Fürstlichen Mundkoch Reiß einen vorzüglichen Mittagstisch.
Dem Gasthause mit 40 Fremdenzimmern gegenüber lag ein großer Salon für Konzerte, Spiel und Tanz. Sein Haupteingang auf der Nordseite führte in einen Vorraum. Aus ihm gelangte man in den eigentlichen Saal. Die Mitte der Rückwand nahm das Orchester ein, rechts lagen Büffett und Spielzimmer, links das Fürsten- und ein Damenzimmer.

Den Kaufleuten Abraham Levi, Jacob Gers und Bär Gers war gestattet, Schnitt- und Galanteriewaren im „Erbprinzen“ feil zu halten. Zur besseren Verbindung mit dem Bade wurde die von Sondershausen nach Stockhausen führende Kunststraße erbaut. Auf dem Lohplatze fand ab und zu ein Vogelschießen statt, und vom Pavillon herab, worin die Fürstl. Herrschaften bei Lohkonzerten zu verweilen pflegen, ergötzte eine vorzügliche Harmoniemusik ein zahlreiches Publikum von nah und fern. Für noch höhere Genüsse durch Oper, Schau- und Lustspiele sorgte das Hoftheater. Auch in den Badeanlagen zu Stockhausen wurde wöchentlich einige mal vom Hautboistenkorps, das in einem der halbmondförmigen Zelte des Badegartens Aufstellung nahm, musiziert. Für Freunde des Kegelspiels war auch eine Kegelbahn angelegt. Man sieht, dass sowohl vom Protektor, als von den Leitern des Bades zu seiner Hebung das Möglichste getan wurde; trotzdem nahm der Besuch bald so ab, dass man es 1843 eingehen ließ, nicht wie sich mit einer gewissen Hartnäckigkeit durch Überlieferung fortgeerbt hat, dadurch, dass die Quelle versiegt sei, sondern weil der Glaube an ihre Heilkraft allmählich zu schwinden begann.

Ein Wasser, dessen Geruch und Geschmack faulig war, und nach dem Genusse Schwindel, Kopfweh, Erbrechen, Aufblähen des Leibes und Durchfall hervorrief, wochenlang als Heilmittel anzuwenden, dazu gehörte wahrlich ein Heroismus, der zu bewundern ist. Doch es soll damit weder dem Chemiker, noch dem Arzte, die es empfahlen ein Vorwurf erwachsen. Beide handelten nach bestem Wissen und Gewissen; sie waren eben noch in Anschauungen befangen, die sie aus den Hörsälen mitgebracht hatten, wo man eine Wissenschaft lehrte, die bezüglich der Methode einer chemischen Untersuchung wie nicht minder in der Heilmittellehre, vielfach im Dunkeln tappte.

Mehr als naiv ist z. B. die Erklärung über die große Veränderlichkeit des Schwefelgehaltes im Stockhäuser Wasser, die dahin lautete, dass der Barometerstand, Elektrizität der Luft und Lokalspannungen der Gebirgsschichten die Ursache seien, während die geologischen Verhältnisse in Stockhausen lehren, daß insbesondere die Quelle des Günthersbades nichts anderes, als die in ihren mineralischen Bestandteilen stets wechselnde Auslaugung der verschiedenen Gesteine im oberen Buntsand war.
Es ist nur zu bedauern, dass die schaffende Fürsorge eines Fürsten, der in der wohlwollendsten Absicht ein Werk ins Leben rief, das der Pflege des höchsten irdischen Gutes, der Gesundheit, dienen sollte, nicht den Erfolg gehabt hat, den sie verdiente, und auch die unermüdliche Sorgfalt der zu seiner Leitung berufenen Männer nicht ausreichte, um den Inhalt des Spruches, wahr zu machen, den man über den Eingang zum Günthersbade gesetzt hatte:

„Nymphe des heiligen Quells,
Erweise dich kräftig durch Wohltun,
Ähnlich dem Vater des Volkes,
welcher den Namen dir gab!“

Die Tafel, die diesen Spruch trägt, ein Oval aus Eichenholz mit einem kunstvoll geschnitzten Gewinde von Eichen- und Palmenzweigen und den verschlungenen Initialen des fürstlichen Namens ist bis auf uns gekommen und gegenwärtig im städtischen Museum aufbewahrt. Vermutlich nahm sie der Kommissionsrat Gustav Bertram beim Verkaufe und Abbruch der Badehäuser am 22. Mai 1843 an sich. Von ihm ging sie in den Besitz des Kaufmanns Heilbrunn am Markte, der das vielleicht einzige Überbleibsel vom ehemaligen Günthersbade dem Museum überließ.

Gesammelt von Karl Gansel
Zeitungsartikel „Aus der Heimat“ 1921 (Nr.5)