Spendenaufruf des Bürgermeisters
Im Jahr 2012 hat sich die Stadt Sondershausen dazu entschlossen, an dem Projekt „Stolpersteine“ des Künstlers Gunter Demnig teilzunehmen und so der Sondershäuser Bürger zu gedenken, die während der Zeit des Nationalsozialismus vertrieben oder ermordet worden sind. Das europaweite Projekt, das Demnig 1992 ins Leben gerufen hat, verzeichnet die Wohn- und Wirkstätten von Juden und anderen Verfolgten der NS-Diktatur, wobei jeder vertriebenen oder ermordeten Person ein eigener Stein gewidmet wird, auf dem ihr Name und die wichtigsten Lebensdaten vermerkt sind. Verlegt im Gehweg erinnern diese Steine an das Leiden der Menschen und heben ihr individuelles Schicksal aus der anonymen Masse der Opfer hervor. Damit wird ihnen ein Gedenkort geschaffen und die Gesellschaft gleichzeitig an ihre Verantwortung, sich gegen das Vergessen zu stemmen, erinnert. Inzwischen sind in 1265 Kommunen Deutschlands und 21 Ländern Europas Stolpersteine verlegt worden - damit ist das Projekt zum größten dezentralen Mahnmal Europas geworden. Zwischen 2012 und 2014 konnten in Sondershausen bereits 21 Stolpersteine verlegt werden. Inzwischen erfolgten Recherchen zu weiteren jüdischen Familien in Sondershausen, wobei insbesondere die weitverzweigte Familie Leser in den Fokus geraten ist. Die Mitte des 19. Jahrhunderts aus Immenrode in die Residenzstadt Sondershausen eingewanderte Familie war im gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Leben unserer Stadt präsent und anerkannt. Die Lesers übten angesehene Berufe aus, waren Kaufleute, Ladeninhaber und Fabrikanten. Ihre Stellung im städtischen Bürgertum konnte sie jedoch während der NS-Diktatur nicht vor Repressalien und Verfolgung bewahren. So kam es zur Flucht zahlreicher Familienmitglieder ins amerikanische, englische, neuseeländische und australische Exil, aber auch zur Deportation und Ermordung von Ricka Leser.
Im Jahr 2020 sollen für die folgenden 12 Mitglieder der Familie Leser an fünf Stationen Stolpersteine in Sondershausen verlegt werden:
Julie Leser (1868-1956), die 1939 zu ihrer Tochter nach England floh und hier verstarb.
Martin Baruch (1884-1968), Kaufmann und Schwiegersohn Julie Lesers, der mit seinen Töchtern Lieselotte (1920-2009) und Ilse (1922-2006) 1939 nach Amerika floh.
Sophie Brown (1859-1942), Witwe des Konsuls Hermann Brown, die mit ihrer Nichte und Adoptivtochter Alma Leser-Heinrich (1892-1984) und deren Sohn Gerhard Heinrich (1923-unbekannt) 1939 nach Neuseeland floh.
Der Wollwarenfabrikant Kurt Leser (1895-1969) floh 1938 nach England, von wo aus er die Flucht seines Sohnes Bernard Leser (1925-2015) und seiner Angestellten und späteren Ehefrau Erna Cheikowsky (1895-1970) vorbereitete. Zusammen mit Sophie Brown, Alma Leser-Heinrich und ihrem Sohn Gerhard gingen sie ins neuseeländische Exil.
Der Fabrikant Egon Leser (1876-1954), dem das Grundstück und ein Teil der Wollwarenfabrik E. Gers gehörten, beides wurde 1941 als dem Reich verfallenes Kapital erklärt. Egon ging 1939 mit seiner Familie ins englische Exil. Ricka Leser (1878-1942), die 1942 nach Betzyce deportiert und hier ermordet wurde.
Für die Herstellung eines Stolpersteins benötigen wir 120 Euro. Zusammen mit weiteren Kosten, etwa dem Rahmenprogramm am Tag der Verlegung und den vorbereitenden straßensichernden und bautechnischen Maßnahmen, wird eine Summe von etwa 5.000 Euro benötigt, die wir hoffen, auch durch Spenden decken zu können.
Wir würden uns aus diesem Grund sehr darüber freuen, wenn Sie dieses wichtige, gesellschaftlich relevante Projekt unterstützen würden, das heute mehr denn je aktuelle Brisanz besitzt.
Ihr Bürgermeister
Steffen Grimm