„Possenallee“ auch in Südafrika
Die Possenallee im Thüringischen Sondershau-sen ist mit ihrer Bebauung und ihrem Allee-Charakter seit langem eine das Stadtbild stark prägende Straße. Aus dem Stadtzentrum führt sie in südlicher Richtung zum ca. 3 km entfernten ehemals fürstlichen Jagdschloss „Possen“, heute beliebte und gern besucht Ausflugsgaststätte inmitten eines Freizeitparks mit vielen anziehenden Attraktionen wie Tierpark und Kletteranlage – Hochseilgarten.
Die Possenallee als namengebende Straße endet beim Erreichen des Waldrandes, bleibt jedoch als guter Waldweg bis zum Jagdschloss erhalten, vorbeiführend an einer Reihe kulturell-historischer, naturkundlicher und architektonischer Orte. Die Route ist touristisch sehr zu empfehlen.
Der Name „Possenallee“ ist ein Produkt ihrer Geschichte. Sie trug in ihrer Zeit – an andere Stelle erläutert – auch andere Namen.
Wie uns der Nachfahre eines früheren Villenbesitzers in der Possenallee, Herr Matthias Künne, informierte, ist unsere Possenallee in Sondershausen nicht die einzige Straße dieses Namens in der Welt. Auch im viele tausend Kilometer entfernten Kapstadt in Südafrika gibt es eine „Possen Road“! Wir finden sie auch bei Google Maps im Internet unter der Adresse Possen Road, Newlands, Cape Town, 7700 Südafrika. Wie kommt nun der Possen nach Südafrika?
Dies verdeutlicht uns ein Blick in die Ahnenfolge der Familie Künne, deren Mitglieder noch heute in Greußen und Umgebung, den sog. Engelsdörfern heimisch sind. In der Person von Johann Christoph Künne, der im 18. Jh. aus Sorgstedt bei Halberstadt nach Clingen zugezogen ist, beginnt deren Geschichte vor allem als Kantoren und Lehrer in unserer Region. In den Annalen um diese Familie tauchen viele bekannte Namen unserer Regionalgeschichte auf. So heiratete der Sohn des Genannten, Georg Künne (1818-1894), die Cousine Johanna unseres verdienten Musikers Hofrat Professor Carl Schroeder (1848-1935).
Einer der Söhne von Georg K., Arthur K. (geb. 1861 in Holzengel), wandere nach Schulbesuch, Schlosserlehre und Besuch des Technikums Hildburghausen 1881 nach Südafrika aus.
Der Süden des afrikanischen Kontinents besaß im 19. Jh. auch aus der Existenz der bis zum 1. Weltkrieg 1915 bestehenden deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) für auf Wohlstand hoffende Menschen und für Abenteurer als Auswanderer eine große Anziehungskraft. Für ca. 1.000 Mark Überfahrtskosten machten sie sich zu Tausenden auf den Weg. So auch Arthur Künne.
In der neuen Heimat verdingte er sich auf viel-fältige Art, u.a. als Arbeiter in den dortigen Goldfeldern.
Von seiner angestammten Herkunftsheimat löste er sich jedoch nicht. In Briefen und Besuchen hielt er bis zu seinem Tode 1950 zu Verwandten und nach hier lebendige Verbindungen aufrecht. Seinen Wohnsitz und Aufenthaltsort pflegte er wechselnd in Kapstadt und hier in Deutschland zu nehmen.
In zweiter Ehe heiratete Arthur Künne Marie geb. Henning (1865-1910). Sie stammte aus einer bereits 1858 aus Deutschland eingewanderten Familie. Der Vater betrieb eine Fleischerei und ein Fleischverarbeitungsunternehmen, in dem Arthur zunächst mitarbeitete bis er sich selbständig machte. Er zeugte insgesamt 11 Kinder.
In seiner neuen Heimat erwarb Künne im am Rande von Kapstadt gelegenen Stadtteil Newlands ein Grundstück, das er „Thüringen“ benannte. Im Jahre 1935 wurde seinem Antrag stattgegeben, die Straße an seinem Haus „possen road“ zu benennen.
Darüber hinaus war Arthur Künne von 1917-1939 Eigentümer der von der Majorswitwe Karl Grundtmann (1860-1909) erbauten Villa „Haus Tannenburg“ in der Possenallee Sondershausen (heute Haus-Nr. 54). Er richtete dort u.a. ein „Jagdzimmer“ mit südafrikanischen Trophäen ein, woraus sich wahrscheinlich sein Beiname „Elefantenjäger“ ableitet. Arthur Künne war als britischer Staatsbürger vermutlich 1939 zum letzten Mal in Deutschland. Er verkaufte die Villa „Tannenburg“ an den Thüringischen Staatsfiskus, der sie nach umfangreichen Umbauten bis heute als Forstamt von Thüringen Forst nutzt.
Die Possen Road gibt es nach wie vor noch in Kapstadt (Cape Town) in Südafrika und kündet von Sondershausen.
H. K.