Interessantes aus der Geschichte


„Aus der Heimat für die Heimat“ so lautete ein Artikel in der Zeitung „Der Deutsche“ vom 18. Juli 1925. Unter dem Titel „Sondershausen, durch das Wippertal in die Wälder der Hainleite“ beschreibt eine Sommerfrischlerin die Stadt Sondershausen und die Umgegend aus ihrer Sicht. Unterzeichnet ist der Beitrag mit dem Namen Erna Seepol. Heute ist von diesem „alten Sondershausen“ nicht viel geblieben. Lohhalle, Konservatorium, Theater, Technikerheim und die Hotels „Tanne“ und „Münch“ sind verschwunden. Auch die Konzerte im Sommer im Lohpark, welche der Stadt den Namen ,,Musikstadt“ einbrachten, gibt es nicht mehr. Die Hainleite, mit ihren herrlichen Wäldern, kann man heute noch durchwandern. Das Jagdschloss „Zum Possen“ und seine waldreiche Umgebung sind immer noch ein beliebtes Ausflugsziel.

Hanna Nagel

 

Hier nun der Wortlaut des einstigen Artikels.
Es ist für ein Menschenkind, das seine Heimat liebt, immer eine große Freude zu hören, wenn auch Bewohner anderer fernerer Landstriche, nachdem sie Sondershausen zufällig oder nicht zufällig kennengelernt hatten, diese unsere heimatlichen Schönheiten zu würdigen wissen und sie in Wort und Bild in öffentlichen Blättern zur breiten Kenntnis bringen. So erschien vor Kurzem eine Reisebeilage in der „Deutschen Zeitung“, der wir gerne hier Raum gewähren. Es gibt im lieben deutschen Vaterlade noch kleine und alte Städte fern vom lauten Reise- und Touristenverkehr. Von so einem Nest und seiner entzückenden Umgebung sei heute gesprochen. Sondershausen, eine alte, kleine fürstliche Residenz, liegt an der Strecke Nordhausen – Erfurt. Vom Bahnhof aus sieht man nichts von dem Städtchen und auch die verhältnismäßig noch junge Zufahrtsstraße bietet kaum sehenswertes. Doch dann führt die Lohstraße in die Teile des Ortes, die noch ganz altertümlich anmuten. Es geht Berg auf, bergab auf schmalen Bürgersteigen, sodass der Entgegenkommende auf den holprigen Fahrdamm ausweichen muss. Linker Hand läuft mit der ganzen Altstadt der fürstliche Park parallel und mehrere Aufgänge führen zum Schloss, das auf einem Berg hoch über dem Städtchen thront. Wie in den meisten Thüringer Städten, so sind auch in Sondershausen die alten Gassen nicht gradlinig. Man übersieht wenige Häuser, schon biegt die Straße um, bald rechts, bald links. Da sieht man neben modernen Schaufenstern uralte Läden, die noch vom Hausflur betreten werden und winzige Auslagen haben. Bald zieht ein altes Fachwerkhaus den Blick auf sich. Alles atmet Behaglichkeit und Sauberkeit aus. Winklige Gassen führen zur Trinitatiskirche, deren schlanker, etwas schiefer Turm wie ein Riese die winzigen Häuser zu seinen Füßen überragt. Bei der Poststraße steigt man über einen Bach hinweg eine malerische Treppe zum Park hinauf. Doch die schönste Ansicht auf das Schloss bietet der Marktplatz. Über einen riesigen Sandsteinunterbau erhebt sich die baumgeschmückte Terrasse, aus der das mächtige, gelbbraune mittelalterliche Schloss mit hohem Turm aufsteigt. Es lohnt sich, die vielen Stufen zum Schlosshof, in dessen Mitte ein uralter Brunnen verschlafen plätschert, hinauf zu steigen. Vom Schloss aus führt ein verdeckter, efeuumrankter Gang ins kleine, reizende Theater. Als noch die weißblaue Fahne lustig vom Schlossturm wehte, konnte der Fürst behaglich von seinen Gemächern aus seine geliebten Kunststätten aufsuchen. Die alten Sondershäuser plaudern gern von jenen erst etwa über ein Jahrzehnt zurückliegenden Zeiten. Sah man die fürstliche Theaterloge erhellt, so wartete der Dirigent mit dem Vorspiel, bis der Fürst erschien und die Besucher aufstanden und den hohen Gast ihre Verbeugung machten.

Es war einmal …
Seit einigen Jahren hat das Theater wieder seine Pforten geöffnet, im Winter wird gespielt, während es im Sommer bei Regentagen das Lohkonzert aufnimmt.
Ja, das Lohkonzert, das versäumte niemand, der einige Sommertage oder Wochen im lustfrohen Sondershausen verbringt. Denn wir sind in der Musikstadt, mit dessen Konservatorium Namen wie Max Bruch und Reger unlöslich verknüpft sind.
So unbekannt das Städtchen dem Sommerfrischler noch ist, so geehrt und lieb ist es dem Musiker. Von Pfingsten an werden jeden Sonntag im großen Musikpavillon im Park prachtvolle Konzerte veranstaltet. Am Nachmittag sitzt es sich dann so köstlich auf den Bänken des Lohplatzes.
Nun zurück in die alten, engen Gassen. Es winken von allen Seiten die bewaldeten Berge der Hainleite ins Städtchen hinein. Von der tief liegenden Altstadt geht es allmählich bergan in die Villenstraßen, die entzückend in Gärten gebettet sind. Eine breite Kastanienallee lockt hinauf in den ganz nahen Buchenwald und auf den Bismarckturm, auf den alle Sondershäuser stolz sind. Und sie können es auch sein, denn einen schöneren Blick über gesegnete deutsche Lande gibt es selten wie von seiner stattlichen Höhe. Da wogt es in unabsehbarer Weite vom frischen, zarten Frühlingsgrün der Buchen. Bergrücken lehnt sich an Bergrücken, bis sich all das wogende Auf und Ab der grünen Pracht in ferne hold verschleiert. Schwer löst sich der Blick von so viel Schönheit und gleitet ins Wippertal. Das malerische Städtchen liegt tief unter mir und schmiegt sich mit seinen Villen und blühenden Gärten seiner Altstadt enger und enger an Schlossberg und Park, und jenseits steigen bunte Felder sanft zu den Wäldern empor. Unzählige Wege locken den Wanderer in grüne Täler, hinauf zum Jagdschloss Possen oder zum steil und kahl aufsteigenden Frauenberg. Ganz in der Ferne aber leuchtet im letzten Schnee der Harz mit dem Brockenhaus herüber, und im Nordosten heben sich ganz winzig klein das Kyffhäuserdenkmal und die Rothenburg vom Himmel ab. Oft zog es mich schon ins liebliche Wippertal und ich sah die Wälder der Hainleite zu jeder Jahreszeit. Doch nun es Frühling ist und zarteste grüne Schleier die Buchen umweben, finde ich Stadt, Tal und Wälder schöner denn je. Drum möchte ich alle, die Sinn für den Zauber alter Kleinstädte und für die Majestät der Waldespracht haben, nach Sondershausen locken, wenn es heißt, für Reise- oder Wanderziel eine Entscheidung zu treffen. Ein Technikererholungsheim bietet Unterkunft und gute Hotels, wie „Tanne“ und „Münch“ gewähren angenehmen Aufenthalt.