Faszination Friedhof - Stahnsdorfer Urwald
Der Südwestkirchhof in Stahnsdorf in der Nähe Potsdams ist 1909 angelegt worden für etliche Stadtgemeinden Charlottenburgs und Schönebergs (beide Städte wurden erst 1920 in Großberlin eingemeindet).
Mit seiner Fläche von ca. 210 ha ist er einer der größten und durch seine Grabstätten bedeutendsten Friedhöfe Deutschlands. Die märkische Heidelandschaft ist hier ebenso einbezogen in die Gestaltung wie auf dem daneben 1921 von Erwin Barth entworfenen Waldfriedhof Wilmersdorf in Stahnsdorf.
Für uns Sondershäuser ergibt sich die Verbindung, weil hier der Sondershäuser-Berliner Kammersänger Albert Fischer (1878-1948) seine allerletzte Ruhe gefunden hat. Seine Grabstätte ist leider nicht mehr vorhanden. Somit gibt es hier keinen Gedenkort mehr für den Gründer des Sondershäuser Albert-Fischer-Chors, der sein Wirken und die Erinnerung an ihn in beispielsweisen Formen nachhält.
Das Gelände des Friedhofs umfasst verschiedenste Grabfelder, enthält landwirtschaftlich und forstwirtschaftlich genutzte Flächen. Die Friedhofskapelle mit 600 Plätzen von Gustav Werner (1859-1917) ist der norwegischen Stabkirche Wang im polnischen Riesengebirge nachempfunden. Sie besitzt ein Geläut aus Apolda. Der Haupteingang befindet sich in der Bahnhofsstraße gegenüber dem 1961 stillgelegten und 1976 gesprengten Empfangsgebäude für die extra zum Erreichen des Friedhofs erbaute 4,4 km lange S-Bahn-Strecke aus Wannsee/Halensee. Sie wurde 1961 mit dem Mauerbau stillgelegt, da sich Stahnsdorf auf DDR-Gebiet befand. Die Bahnhofsgaststätte ist allerdings bis heute erhalten.
Mit der Wende 1989/90 erwachte der Südwestkirchhof Stahnsdorf aus seinem Dornröschenschlaf.
Im Berlin-Baedeker von 1964 findet sich dazu folgender Satz: „Der wegen seiner landschaftlichen Schönheit bekannte Südwestfriedhof der Berliner Stadtsynode in Stahnsdorf liegt in der Ostzone und ist somit zurzeit von Westberlin aus nicht erreichbar.“ Das war seit 1952 so und blieb es bis 1972. Die Anlagen werden in wichtigen Bereichen und auf den Wegschneisen noch heute gepflegt. Stilvoll fügt sich die in Holz errichtete Kirchhofkapelle ein, neben der man die separate Anlage für die aus Gewölben der alten Garnisonkirche in Berlin nach Stahnsdorf 1949 überführten 47 Särge geschaffen hat.
Schon kurz nach Betreten des Kirchhofs erblickt man das monumentale Marmorrelief Ludwig Manzels (1858-1936), das den die Beladenen segnenden Christus zeigt und einst für den Dom von Gnesen geschaffen wurde. Kurz dahinter erblickt man die „Kadelburg“: die Grabstätte für die Familie des einst beliebten Bühnenautors Gustav Kadelburg. In der Nähe befinden sich die Grabstätten für Friedrich Wilhelm Murnau (1888-1931), Karl Ludwig Schleich (1854-1921) und Lovis Corinth (1858-1925). Hinter der Kapelle führt ein Waldweg zu den Grabmälern für den Tiermaler Wilhelm Kuhnert (geschmückt mit einem Löwenrelief des Meisters), den Landschafter Hans Licht und den Maler und Zeichner Heinrich Zille (1858-1929) sowie Rudolf Breitscheid (1874-1944). Erwähnen muss man das Grabmal für Frau von Ardenne-Plotho, die 1952 im 99. Lebensjahre am Bodensee starb; ihr frühes Lebensschicksal bewegte Fontane zur Gestaltung seines Meisterromans „Effi Briest“, wie wir seit 1964 wissen. Auch die separaten Anlagen für Schweden, gefallene Engländer und gefallene Italiener sind zu nennen.
Auch der Besuch des ausgedehnten Wilmersdorfer Waldfriedhofs lohnt sich: hier liegen u. a. Erwin Beuth, Hugo Lederer; Emil N. v. Reznicek und Hans Baluschek. Baluscheks Grab war unauffindbar, wurde aber 1981 auf Antrag des VF wieder würdig hergerichtet.
Mögen viele Menschen diese Oasen der Einkehr besuchen, vielleicht in dem Sinne des Spruches, den man auf dem Grabstein meiner Urgroßmutter Marie Steindamm (gest. 1923) in Stahnsdorf, Feld Lietzensee, finden kann:„Letzten Dank für alle Zeit getreue, unendlich große Liebe“. 1942 kam meine geliebteste Großtante Helene Steindamm dazu, 1997 meine geliebte Mutter, und auch ich, der letzte meines Stammes, werde dort bestattet werden.
Hartmut B. Heinze