100 Jahre ,,Rasselböcke”


In vielen Ortschaften des Kyffhäuserkreises tragen die Bürgerinnen und Bürger seit Urzeiten Spitznamen.
Viele Bewohner der Orte wissen heute nicht mehr, aus welchem Grund es zu diesen Scherznamen kam.
Im Oberspier tragen die Bürger den Spitznamen ,,Rasselböcke“.
Wie es dazu kam, soll hier erzählt werden. Im Jahr 1894 wurde der junge Pfarrer Otto Fleischhauer aus Masserberg im Thüringer Wald nach Oberspier, auf die vakante Pfarrstelle versetzt.

Hier begann er schriftstellerisch in Erscheinung zu treten. 1896 veröffentlichte er eine Ortschronik ,,Oberspier. Ein Dorfbild aus alter und neuer Zeit.“ Neben seiner Tätigkeit als Pfarrer, betätigte er sich nun auch als Heimatschriftsteller.
Er veröffentlichte Novellen, kleine Geschichten, einen Gedichtband, später auch Romane und Theaterstücke.
Am 14. November 1920 gründete er in Oberspier den Gesangsverein ,,Melodia“. Im Januar 1921 erschien in der damaligen Zeitung ,,Der Deutsche“ ein merkwürdiger Schriftzug im Anzeigenteil der Zeitung:

Dieser Schriftzug tauchte in mehreren Ausgaben der Zeitung immer wieder auf, bis am 3. Februar 1921 folgende Anzeige in der Zeitung erschien:

Fleischhauer hatte mit dem von ihm gegründeten Chor das Theaterstück einstudiert, und am 5. Februar kam es zur Uraufführung im Saal des Gemeindegasthauses in Oberspier. In der Zeitungsausgabe vom 5. Februar war zu lesen:

Die Aufführung wurde ein voller Erfolg. Der Intendant des Landestheaters von Sondershausen Prof. Dr. H. Dinger schrieb eine sehr lobende Kritik über den Autor und die Laienschauspieler. Diese gute Theaterkritik in der damaligen Zeitung ,,Der Deutsche“ machte mit ihrem Lob auch andere Ortschaften auf diesen humoristischen Schwank aufmerksam. Das Lustspiel handelt von einem jungen Mann, welcher in Oberspier aufgewachsen ist und nun nach dem Tod seiner Mutter hierher zurückkommt, um den Hausstand seiner Mutter aufzulösen.

Aber erst einmal verdreht er allen Mädchen des Ortes die Köpfe. Die Burschen von Oberspier sinnen auf Rache. Bei einem Treffen in der Schenke beraten sie, wie sie dem Striebing, so heißt der junge Mann, eins auswischen können. Der alte schlaue Bauer Müller schlägt ihnen vor eine ,,Rasselbockjagd“ zu veranstalten und damit Striebing lächerlich zu machen. Die Burschen schreiten zur Tat. Sie erzählen dem Striebing, welcher ein rechter Aufschneider ist, vom ,,Rasselbock“. Der Rasselbock ist ein Tier, welches Hörner hat wie ein Ziegenbock, Ohren wie ein Hase und ebensolches Fell besitzt. Ist bösartig wie ein tolles Karnickel und so groß wie ein Rehbock. Er sei eine Kreuzung zwischen einer Rehricke und einen Hasenrammler. Er trägt den lateinischen Namen ,,Lepus Cornutus“, der gehörnte Hase. Weiterhin erzählen sie ihm, dass der Rasselbock nur mit einem Drillingsgewehr erlegt werden könne. Daraufhin fährt Striebing nach Sondershausen und besorgt sich solch ein Gewehr.

Am anderen Tage zieht man zur Jagd aus. Die Burschen haben den Ziegenbock der Schenkenswirtin gestohlen, ihm Hasenohren und eine alte Rehdecke umgebunden und ihn in das Jagdgebiet geführt. Striebing schießt auf den ,,Rasselbock“, trifft ihn aber nicht. In der Zwischenzeit vermisst die Wirtin ihren Ziegenbock. Sie macht sich mit mehreren Frauen auf die Suche. Bald darauf treffen sie auf die Jagdgesellschaft und nun kommt die Wahrheit ans Licht. Striebing blamiert, verlässt fluchtartig Oberspier. Die Burschen bekommen eine Strafpredigt von der Wirtin und im Dorf gibt es viel Gelächter über diesen Streich.

Der Gesangsverein ,,Melodia“ führte das humoristische Theaterstück später dann in den umliegenden Orten mit großem Erfolg auf. Kamen nun die Laienschauspieler aus Oberspier in einen Ort der Aufführung, so hieß es dort: ,,Die Rasselböcke kommen!“ So haben die Einwohner von Oberspier ihren Spitznamen erhalten. Pfarrer Fleischhauer hatte den ,,Rasselbock“ aus Masserberg im Thüringer Wald mit nach Oberspier gebracht. Der einzige Unterschied, im Thüringer Wald ist es ein gehörnter Hase und in Oberspier ein Ziegenbock mit Hasenohren und Rehdecke. Noch heute trägt der Ort in der fünften Jahreszeit den Namen ,,Rasselbockhusen“ und die Mitglieder des OCC nennen sich ,,Die Rasselböcke“.

Hanna Nagel