Glockenprojekt St. Trinitatis Sondershausen - Faszination Glocken

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Wenn Sie diese Ausgabe des SHE in Ihren Händen halten ist das Ziel des „Glockenprojekts St. Trinitatis Sondershausen“ wahrscheinlich mit Erfolg erreicht worden. Die Corona-Krise vor allem hat größere Feierlichkeiten zur Indienststellung des restaurierten und erweiterten Geläuts unserer Stadtkirche St. Trinitatis, die im Zusammenhang mit dem 400jährigen Kirchweih-Jubiläum stattfinden sollte, verhindert.

Die endgültige Abnahme durch den kirchlichen Glockensachverständigen soll nun Ende August stattfinden.

Gleichwohl können wir uns bereits jetzt am Klang der neuen Glocken erfreuen. Wir, das sind nicht nur die Gemeindemitglieder, sondern alle Lauschenden. Wir, das sind alle Spender, die mit ihren Beiträgen zum Gelingen des Vorhabens beigetragen haben. Ihnen ist nicht genug zu danken.

Bis zum abschließenden Bericht über die erledigten Arbeiten und der Vorstellung des dann restaurierten und vervollständigten Geläuts sollen heute noch einige Anmerkungen aus der Geschichte des Glockenwesens gemacht werden.

Es gibt dazu einen Unmenge Literatur, die die Entwicklung der Glocken und die mit ihrer Herstellung verbundene mannigfachen Probleme unter vielen Gesichtspunkten sehr ausführlich behandeln. Sollte die Corona-Pandemie Festveranstaltungen zur Glockenweihe zulassen, könnte auch darüber gesprochen werden. Auch Dichter und Künstler haben sich des Phänomens Glocke fasziniert und umfänglich angenommen.

Die Geschichte der Glocken ist in tausenden Jahren zu bemessen. Im fernen Asien, vermutlich in China soll die Glocke ihren Ursprung haben. Sie entstand vermutlich aus Frucht und Klangschalen, die angeschlagen wurden und so Klangbilder entstehen ließen. Konfuzius (551 – 479 v. Chr.) war überzeugt „Musik reinige den Leib und helfe den Frieden zu sichern.“ So wurde die Glocke zum Musikinstrument. Auch als „Maß aller Dinge“ (dies ist nur ein Wort aus der Vielzahl von Redewendungen im Zusammenhang mit Glocken, „etwas läuten hören“, „etwas an die große Glocke hängen“, Alarmglocken beginnen zu läuten“…) war die Glocke als Hohlraum-Maßeinheit für Getreide, ihr Durchmesser ein Längenmaß. Später in Indien wurde die Glocke endgültig zum Synonym für Musik. Nach der dortigen Auffassung vereinigen sich die Klänge vieler Musikinstrumente in den Glocken. Im Buddhismus kamen dann größere Glocken hinzu. Sie riefen die Mönche zum Gebet, begleiteten deren Gesänge.

Als nächstes finden wir Glöckchen im alttestamentlichen Vorderasien. Koptische Mönche in den ägyptischen Wüstenklöstern waren wohl die ersten Christen, die liturgische Glocken verwendeten. Sie strukturierten mit den Glockenklängen den Tagesablauf von Gebet und Arbeit, sowie ihren Mußezeiten. Von ihr aus kamen Glocken und ihr Gebrauch über Westafrika nach West- und Südeuropa in das christliche Abendland.

Papst Sabinian (604-606) übertrug die von Glockenruf inspirierten Gebetszeiten in den Klöstern auf die Glockenrufzeiten aller Christen. Es wurden die Glocken zum hörbaren Symbol und zum Wahrzeichen des Christentums. Die Glocken zogen in die Kirchtürme ein. Ihre Klänge ertönten von hier oben weit in das Land am Morgen, am Mittag und am Abend. Mit diesen weit verbreiteten, jedoch regional unterschiedlich gehandhabten Riten wurden Glaubensgrundsätze des Christentums gepflegt. Andere liturgische Anlässe kamen hinzu: Feste eingeläutete Täuflinge wurden in den Kirchengemeinschaften begrüßt, Sterbende und Tote ausgesegnet. Es entstanden Geläute mit mehreren Glocken, die in der Lage waren mit ihren Klängen Stimmungen auszudrücken. Mit unterschiedlichem Geläut, in unterschiedlichen Kombinationen wurden liturgische Anliegen und Stimmungen zum Ausdruck gebracht. Ein Trauergeläut sollte anders klingen als z. B. das Jubelgeläut des Ostermorgens.

Martin Luther überlieferte „wenn ein Freund stirbt, klingen die Glocken anders als sonst“

Dies wird erreicht durch die Form und die Größe der Glocken, die den Klang beim Läuten, dem Anschlagen des Klöppels an ihre Wandungen ausbilden. Hier findet die jahrhundertlange Erfahrung der Meister der Glockengießereien ihren Ausdruck.

Seit der Einbindung der Glocken in die liturgischen Handlungen des Christentums in Europa gewannen die Glocken neben ihrer akustischen Funktion auch als Objekt der Gestaltung der äußeren Verzierung und der Ausführung ihres Schmucks eine besondere Bedeutung. Dies ist insofern doch auch erstaunlich, da die in den oberen Geschossen der Kirchtürme aufgehängten Glocken den Gläubigen unsichtbar bzw. unlesbar bleiben. Die Glocken bekamen Zierlinien, symbolische Schmuckbänder mit pflanzlichen und anderen Motiven. Ihnen wurden Schriftbänder mit Zitaten aus der Bibel und Gebetsformeln umgelegt. Sie trugen Wappen und sonstige Motive u. a. mit Darstellungen von Heiligen und Szenen aus ihrem Leben.

Große Künstler wurden dazu, wie heute auch noch, zur Ausführung herangezogen. Die Glocken wurden in ihrer äußeren ästhetischen Schönheit, der Einheit von Schrift und Bild zu künstlerischen Zeugnissen von Glauben und Frömmigkeit, auch als Abbild der Geschichte.

Die Glocken wurden so zu bedeutenden alle Bereiche der Kirche und der Menschen umfassenden Symbole. Sie waren eng mit den Menschen und ihrem Leben verbunden.

Ihre Indienststellung war und ist mit speziellen Riten verbunden. Früher wurden sie mit geweihtem Wasser abgewaschen und mit gesegnetem Öl gesalbt, mit dem Kreuz gesegnet.

Viele Glocken tragen die Namen von Heiligen und ihnen wurde in Läuteordnungen bestimmte Aufgaben zugewiesen. Darüber hinaus benannte der Volksmund viele Glocken nach profanen Begriffen.

Einige Glocken erlangten wegen ihrer Eigenschaften große Berühmtheit. Als Beispiele seien genannt:

  • Die Gloriosa
    im Dom St. Marien in Erfurt
    gegossen 1497 durch Gerhardus van Woŭ in Erfurt
    Schlagton e°
    Gewicht 11.450 kg, Ø 2,57 m, Höhe 254 m
  • Die Glockenkönigin
    im Tempel der Großen Glocke in Peking
    gegossen zwischen 1403 und 1424 in Nanjing/China
    Gewicht 46,5 t, Ø 3,30 m, Höhe 6,75 m
  • Zar Kolokol
    im Moskauer Kreml
    gegossen 1735 von Iwan und Michail Motorin in Moskau
    Gewicht 202 t, Ø 6,60 m, Höhe 6,14 m
    Durch Feuer gerissen, ein Stück ausgebrochen
  • Big Ben
    im Uhrturm des Brit. Parlamentsgebäudes in London
    gegossen 1858 in London als Uhrschlag-Glocke
    Gewicht 13,5 t
  • Die St. Petersglocke (der „dicke Pitter“)
    Im Kölner Dom
    Gegossen 1923 durch Heinrich Ulrich in Apolda
    Schlagton c°
    Gewicht 24 t, Ø 3,25 m, Höhe 3,35 m

Auch die Kathedrale Notre Dame in Paris besitzt in der Glocke „Emmanuel“ (gegossen 1681) noch eine Riesenglocke mit einem Gewicht von über 10 t. Die aus Victor Hugos Roman bekannte Glocke „Marie“ (12,3 t aus dem Jahr 1396) wurde in der franz. Revolution von 1790 zerstört. Auch Kuriositäten finden sich unter den Namensbezeichnungen.

 

H.K.