Fontanes „Fritz Katzfuß“ und Goethe

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Fontanes langes Gedicht „Fritz Katzfuß“ handelt vom kruden Alltag eines Lehrjungen, „rothaarig, sommersprossig“, in dem Laden für die alltäglichen Lebensmittel einer geizigen Witwe namens Marzahn: Hering, Datteln, Schweizerkäse, Pumpernickel, Lachs, die dort „ein friedlich Dasein miteinander führten“! Geschäftig sprang Katzfuß hin und her und holte Soda, Korinthen, Waschblau, wie’s die Kundinnen verlangten. Doch aus dem Keller Soda und Selter holen, das dauerte länger. Aber er war so „herzensgut“, er sagte wie was, gebe nie zu wenig“; seine Herrin murrte aber: „wo der dumme Junge immer steckt?“

„Kurz und gut: Fritz Katzfuß war ein Rätsel“ – „das Eine war noch rätselvoller: … daß Fritz nie maulte, greinte, wütend wurde…“
Er schien zu sagen: „Arme Kreaturen, ihr glaubt mich dumm… Eure Welt ist Kram … Mein Blau der Himmel.“
Fritz musste auch die Warenauslieferungen in Laden und Keller wuchten. Er warf seine Jacke ab, aus der glitt lautlos ein Buch. Die Witwe Marzahn nahm’s vom Boden auf und sah hinein: „Gedichte, Gedichte erster Teil, von Wolfgang Goethe.“ Zerlesen war das Buch und Zeichen eingelegt, auch „(zu glauben kaum) ein Streifen Schlagwurstpelle“. – „und Witwe Marzahn las: „Dahin möchte‘ ich mit dir, o mein Geliebter“ ziehn – nun war es klar. Um so was träg und langsam, um Goethe, Verse, Mignon. Armer Lehrling.“
Und Fontane, der arme Apothekerlehrling und –gehilfe in Berlin (Linden, Ecke Friedrichstraße: heute noch Apotheke!), Leipzig, Letschin und anderswo, fährt fort in seinem Gedicht:

„Ich weiß dein Schicksal nicht, nur eines weiß ich: Wie dir die Lehrzeit hinging bei Frau Marzahn, Ging mir das Leben hin. Ein Band von Goethe Blieb mir bis heut mein bestes Wehr und Waffen…“:„Ich lächelte, grad so wie du gelächelt. Fritz Katzfuß, du mein Ideal, mein Vorbild. Der Band von Goethe gab mir Kraft und Leben, Vielleicht auch Dünkel. … All genau dasselbe, Nur andres Haar und –keine Sommersprossen“.

Dieses wunderbare, selbstironische Gedicht Fontanes ist viel zu wenig bekannt, es spiegelt sich darin ein langes, schwieriges Leben, das dann über Sechzig hinaus, in „Stine“, „L’Adultera“, „Irrungen, Wirrungen“, „Cécilie“, „Effi Briest“ gipfelt!

 

Hartmut B. Heinze