Das Ende einer Legende Vom Werksorchester zum Bergarbeiterblasmusikverein
Eine Sondershäuser Tradition geht nach 73 Jahren zu Ende. Mit dem Rückzug von öffentlichen Auftritten verabschiedet sich der mit der Musik- und Bergstadt Sondershausen eng verbundene und in ihr gewachsene Bergarbeiter Blasmusikverein „Glückauf“ Sondershausen e.V. zwar noch nicht komplett in den Ruhestand, aber doch offiziell.
Gegründet 1947 wuchs aus dem damaligen Werksorchester über Jahrzehnte ein Blasmusikverein der Bergleute Sondershausens, der zu einer über die vielen Jahre seiner Existenz zu immer größerer Beliebtheit, sowohl in Sondershausen als auch über die Grenzen der Region, sogar des Landes hinaus, gelangte.
In ihrer knapp bemessenen Freizeit fanden sich in den Anfangsjahren die unterschiedlichsten Menschen zusammen, um den Grundstein für die grandiose Entwicklung eines bekannten und beliebten Blasorchesters zu legen. Anfangs zur Verfügung standen private Musikinstrumente und die Instrumente der ehemaligen Luftwaffenmusikschule Sondershausen. Erstmalig führte das gerade zusammengefundene Orchester unter der Leitung seines damaligen Dirigenten Willi Heyer viele Sondershäuser zur damals üblichen Maidemonstration. Unter seiner Stabsführung trat der Klangkörper bis 1953 auf. Von 1953 bis 1955 wurde das Orchester von Willi Hauswirt geleitet. Bereits 1955 übernahm die Leitung des Orchesters Fritz Gorges. Er war eine der schillerndsten Personen in der Geschichte des Orchesters und bis zum Jahre 2000 der Dirigent.
Er hatte es verstanden, das Orchester durch seine musikalischen und diplomatisch menschlichen Fähigkeiten durch einige Höhen und Tiefen zu führen. Er verstarb im Jahre 2005 nach einem erfüllten Leben.
Mit der Gründung des Blasmusikvereins 1992 wurde Konrad Peisker zum Geschäftsführer gewählt. Er leistet bis heute eine hervorragende Arbeit. Alle wesentlichen Dinge, die Überprüfung der Spielfähigkeit für alle Einsätze, die Organisation der Fahrzeugeinteilung, die Planung von Einsätzen entsprechend der Anfragen, die Verträge und vieles mehr, lagen in seiner Hand. Auch als Entertainer bei Auftritten machte sich Konrad Peisker einen Namen.
Für die Kassenführung wurde Walter Woitasky gewählt. Gemeinsam mit seiner Frau Ursula haben sie Kassenbuch, Belegbearbeitung und sämtliche Geldgeschäfte bearbeitet. Man kann ihnen hier über Jahrzehnte eine exzellente Arbeit bescheinigen.
Im Jahr 2000 übernahm Posaunist Wilfried Rohleder die musikalische Leitung und setzte eigene Akzente, die wesentlich zur Verbesserung des Klangkörpers führten.
Viele Veranstaltungen wurden vom Orchester selbst gestaltet oder musikalisch umrahmt, so dass jährlich ca. 40 Auftritte stattfanden.
Die dienstäglichen Proben wurden immer gründlicher und besser. Das wiesen die Herzblutmusiker bei jedem ihrer Auftritte immer wieder nach, und so manches Mal wurden sie sogar vom Publikum mit Berufsmusikern verglichen.
Das Orchester blickt über die Jahre auf so einige bedeutende Höhepunkte zurück. Nicht nur, dass die Musiker in jedem Jahr mit ihren Darbietungen zum Tag des Bergmanns mit schwungvollen Melodien die Bergleute und das gesamte Sondershäuser Publikum begeisterten, sie brachten auch zu zahlreichen Sportereignissen und Festveranstaltungen, wie zum Beispiel den Sondershäuser Residenzfesten, Stimmung und Lebensfreude unters Volk.
Besondere Perlen stellten für die Blasmusiker immer wieder die Bergparaden dar, bei denen der Klangkörper auch überregional sein hervorragendes Können unter Beweis stellte.
Ebenso waren die Sondershäuser international unterwegs. Unvergesslich für die Orchestermitglieder waren beispielsweise die Auftritte zum Bergmannstag in Banská Štiavnica in der Slowakei, wo man gemeinsam mit dem dortigen Partnerorchester musizierte.
Das waren für die Thüringer echte Bewährungsproben. „Ins Mutterland der Blasmusik. Wir als Laienorchester!“, lässt sich das Urgestein des Blasmusikorchesters, Franz Hajek, der bereits 50 Jahre dabei ist, euphorisch zitieren. Die Publikumsreaktionen waren erstaunlich. Die deutsche zackige Marschmusik hatte sehr großen Anklang gefunden.
Nach der gesellschaftlichen Wende hatte sich das Orchester trotz anfänglicher Schwierigkeiten als eingetragener Verein stabilisiert und viele Einsätze auch in den alten Bundesländern durchgeführt. Diese Zeit brachte auch sonst einige Veränderungen bei den Auftritten mit sich. So wurden mit dem Bergmanns-Blasmusikverein Bleicherode enge Partnerschaftsbeziehungen geknüpft, die sich in beiderseitigem Interesse positiv auf die Klangkörper auswirkten.
In den Jahren nach dem politischen Umsturz in Deutschland beschritt auch das Blasorchester einen guten Weg. An Nachwuchs mangelte es damals kaum, und die Auftritte begeisterten das Publikum stets.
Doch auch vor der Musik- und Bergstadt machte der demografische Wandel nicht halt.Junge Menschen, auch von der Sondershäuser Musikschule, rückten kaum noch nach. Die Zeit des Nachwuchsmangels brach an.
Dennoch, die Mannen um Konrad Peisker, dem Vereinsvorsitzenden, der selbst bereits 49 Jahre aktiv dabei ist, zeigten sich gern bereit, zu den verschiedensten Anlässen zünftig aufzuspielen, auch wenn der Klangkörper in den letzten Jahren personell stark ausdünnte.
Davon zeugen die Auftritte bei Residenzfesten, den Barbarafeiern und anderen Veranstaltungen in Sondershausen. Beispielsweise gehörte die Gruppe zur jährlichen Kranzniederlegung am Volkstrauertag zum festen Bestandteil der Ehr- und Gedenkveranstaltungen. Auch Vereidigungen von Volksarmee und später auch der Bundeswehr umrahmten die Blasmusiker in ihrer unverwechselbaren Art.
Die Nachwuchssorgen belasteten den Verein immer mehr, und so entschieden sich die verbliebenen Vollblutmusikanten, ihren geliebten Verein in diesem Jahr aufzulösen und nur noch in einer lockeren Interessengemeinschaft gemeinsam die Instrumente in die Hand zu nehmen. Öffentliche Auftritte soll es nicht mehr geben. Leider.
Dennoch erinnern sich die Vereinsmitglieder gern an die lange Geschichte, dabei natürlich auch an die eine oder andere Anekdote, des nicht nur in der Musik- und Bergstadt so beliebten Blasmusikvereins der Bergleute, der in der Vergangenheit das gesellschaftlich-kulturelle Leben der Stadt als eine der festen Größen in der bergmännischen Tradition so sehr prägte.
Unvergessen bleiben die wunderbaren Auftritte des Orchesters in Saarbrücken, Borken und Knüllwald, bei den Blasmusikfesten in Großlohra, in Polen und in der Slowakei.
Sondershausen ist dem Bergarbeiterblasmusikverein für all die Jahre der musikalischen und bergmännischen Traditionspflege zu großem Dank verpflichtet. Und vielleicht lassen sich die Männer um Konrad Peisker zu gelegentlichen Auftritten in der nächsten Zeit überreden. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
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